Ach wenn es schon eher Richtung Winter geht, lohnt es sich dennoch einen Rückblick in eines der schachlichlichen Hauptereignisse des Sommers zu werfen – den Lichtenberger Sommer. Ein Turnier, welches von Mattnetz durch 12 Teilnehmer sehr gut representiert war. Wir gehen sie mal durch:
Malina spielte in Runde 7 mit beachtlichen 5/6 Punkten an Brett 3!
Karsten schaut bei Silvio zu…
… welcher trotz einer Verletzung am Bein das Turnier zu Ende spielte! Das war enormer Kampfgeist! Danach fuhr Silvio übrigens auch noch zur Sommerfahrt. Hier könnt ihr nachlesen, wie es lief, falls ihr das nicht schon getan habt:)
Viktor war von der Elo her direkt neben…
… Richard gesetzt.
Stefan und sein Betreuer.
Jaroslaw (Hallo! Das bin ich!)
Oliver spielt sein Turmendspiel auf Gewinn.
Henrik meldete sich im letzten Moment auch noch zum Turnier an.
Und Bao, der sich nach dem Turnier bereit erklärt hat von seiner Turniererfahrung zu berichten! Im folgenden sein Text:
Und Bao, der sich nach dem Turnier bereit erklärt hat von seiner Turniererfahrung zu berichten! Im folgenden sein Text:
Herzlich willkommen zum jährlichen Lichtenberger Sommer, welches für mich ein
echtes traditionelles Turnier geworden ist. Ich erinnere mich noch gut an meine erste
Teilnahme im Jahr 2013, als ich mit gerade einmal 7 Jahren aufgeregt und voller
Vorfreude an das Brett trat. In diesem Jahr möchte ich euch in einer Kurzfassung
durch die Highlights meines Turniers bringen, die insgesamt sehr positiv waren, doch
leider einen sehr faden Beigeschmack mit sich getragen haben durch das Ende.
Das Turnier war dieses Jahr in der Breite sehr gut aufgestellt mit vielen 1900-2100
Spielern, aber an der Spitze hat es dafür in diesem Jahr stark abgenommen. Dies
führte dazu, dass ich an der Startrangliste 5 startete. Somit war klar, dass mein Ziel
sein muss, zumindest um den 1. Platz dauerhaft mitzuspielen. Dies gelang mir in den
ersten 4 Runden sehr gut, in welchem ich sehr souverän 4 aus 4 Punkten gegen
einen Gegner Schnitt von ca. 2000 holte. Die schönste und spannendste Partie von
den 4 war wahrscheinlich die 3. Partie. Ich werde euch die kritische Stellung der 3.
Partie zeigen und ihr könnt sie mal probieren, selbst zu lösen, wenn ihr Lust habt;)
Dies ist die kritische Stellung der Partie… Sein letzter Zug war 27…Tfc8. Mit den
nächsten Zügen bekomme ich als Weißer einen entscheidenden Vorteil.
Lösung Stellung 1:
La4 Tc4
Ld7!! Txb4
Lxc8 Txe4
Lxb7
und die Bauern sind langfristig nicht mehr aufzuhalten
In Runde 5 musste ich gegen Martin Yatskar spielen. Er schlug davor die Runde
Henrik Hesse und gewann kurz vor dem Turnier das Potsdamer Open. Ich wusste, er
spielt besser als seine Zahl, jedoch hatte ich nicht allzu viele Partien von ihm, sodass
es ziemlich schwer war zu sagen, mit welcher Eröffnung ich rechnen kann. Ich
bereitete etwas vor mit den Informationen die ich hatte und legte den Fokus mehr
darauf, komplett ausgeruht zur Partie zu erscheinen, um zumindest den Vorteil zu
haben. Er überraschte mich allerdings sehr schnell in der Eröffnung und blitzte alle
seine Züge bis zum 13. Zug in einer sehr kritischen Stellung aus. Mit 2 unpräzisen
Zügen gab ich die Partie nach dem 30. Zug auf und gab meinen ersten Punkt ab im
Turnier. Da vor der Partie nur 4 Leute volle Punktzahl hatten, wusste ich, dass die
Tabelle trotzdem sehr eng bleiben wird und ich einfach konzentriert gegen die
anderen Favoriten punkten muss. Gesagt und getan, bekam ich nach meiner
Niederlage die Nummer 1 des Turniers (IM Das Soham). Ich hatte jedoch die Weißen
Steine und war eigentlich recht zufrieden mit der Paarung, da ich sowieso um an der
Spitze mitzuspielen gegen ihn spielen muss und dies jetzt zumindest mit Weiß
absolvieren kann. In der Vorbereitung gegen ihn sah ich, dass er ein recht breit
gefächertes Repertoire hat. Somit war die Vorbereitung etwas intensiver, ich dachte
jedoch, eine Tendenz ziehen zu können, da ich sah, dass er gegen Elo schwächere
nach 1. e4 eher auf 1…c5 Systeme zurückgreift. So ging ich mit ganz gutem
Gewissen zur Partie und einer guten Vorbereitung. Als es dann soweit war, kam mein
Gegner erstmal 10 Minuten zu spät und spielte dann 1… g6. Eine komplette
Überraschung. Es folgte e4-d4 von mir und im 3. Zug die nächste Überraschung 3…
c5
Ich wusste von meiner Vorbereitung noch, dass er des Öfteren Drachen spielt und ich
gegen den Drachen meistens Maroczy-Strukturen anstrebe. Somit hat er eine kluge
Zugreihenfolge gewählt, welche mich sofort aus meiner Komfortzone rausbringen
sollte. Ich vermutete, dass er sich hauptsächlich Sf3 und dxc5 angeschaut hat.
Deswegen spielte ich d5 und ging in eine Benoni-Stellung über, von der ich nur durch
Online-Partien Erfahrung hatte. Ich merkte jedoch auch sehr schnell, dass er sich
nicht gut in dem System auskennt und dachte, dass ich dadurch ganz gute Chancen
bekommen kann, da die Stellungen fast immer angenehmer für weiß zu spielen sind.
Dies war für mich die 1. kritische Stellung. Ich wusste, dass ich etwas besser stehen
muss, habe jedoch keinen Plan gesehen, um weiter Fortschritte zu machen. Da wir
beide nicht wirklich viel Zeit hatten, entschied ich mich in der Partie dazu, die
Stellung sofort sehr kompliziert zu machen, was die Fehlerquote auf beiden Seiten
immens erhöht.
So spielte ich 19. g4!?.
Die Stellung hat sich von der Dynamik sofort verändert und ist ein Spiel auf 3
Ergebnisse vor allem mit wenig Zeit beidseitig.
Dies war die vermutlich entscheidende Stellung der Partie.
Sein letzter Zug war 24…gxh5. Wir waren beide auf ca. 3 Minuten Bedenkzeit.
Mein originaler Plan war es 25. axb5 zu spielen und was ich berechnet hatte war 25…
Txe3 26. Lxe3 Lxc3 27. bxc3 Lxd5 28. f3 und dachte, dass alles irgendwie
zusammenhält. Beim 2. durchrechnen der Variante sah ich, dass er nach der Variante
den schönen Zug 28… Dg4+!! hat. Ich werd kein Diagramm hinzufügen, damit ihr dies
im Kopf mitrechnen könnt. Als ich Dg4+ sah, hatte ich jedoch nur noch 30 Sekunden,
so entschied ich mich, auf mein Bauchgefühl zu hören und erst mit f3 anzufangen.
Welche Tatsache der beste Zug war und konnte mit einem schönen Ende die Partie
beenden. In der folgenden Stellung war Weiß am Zug und nur 1 Zug gewinnt.
Lösung:
Ta3!!
Dies verhinderte, dass der König die 3. Reihe betreten kann und gibt mir genug Zeit
mein Bauern umzuwandeln
So bin ich nach meiner Niederlage ganz gut wieder zurückgekommen und war noch
komplett im Rennen drinnen. In der nächsten Partie konnte ich mich aus einer sehr
schlechten Stellung aus der Eröffnung hinaus noch ins Remis retten. Somit war ich
mit 5,5/7 durch die anderen Ergebnisse ganz gut dabei und wusste, dass ich für das
Preisgeld mindestens 1,5/2 holen muss und für einen Turniersieg mit etwas
Schützenhilfe 2/2 holen muss. Da ich im Turnier doppelt schwarz hatte, wusste ich,
dass es gut möglich sei, dass ich die letzten 2 Runden doppelt weiß bekomme, aber
die kommende Runde die einzig garantierte Weißpartie ist. Somit war mir schon
vorher klar, dass ich die kommende Partie komplett auf Gewinn spielen werde, mit
dem vielleicht letzten Mal Weiß im Turnier. Wie der Zufall wollte, konnte ich natürlich
auch in diesem Jahr kein Mattnetzer-Los aus dem Weg gehen und bekam Oliver
Fartmann als Gegner. Als ich mich abends vorbereitete, sah ich, dass er eine Variante
im Taimanov spielt, die ich in einem anderen Turnier für eine Person schonmal
vorbereitete. Wir blitzten beide die Züge bis zum 20. Zug runter und meistens hört
dort dann die Theorie auf, weil der Computer in fast allen Varianten 0.00 gibt, also
komplett ausgeglichen.
Dies ist die Stellung, wo die Engines fast nur 0.00 anzeigen.
Jedoch hatte ich mir die Varianten damals alle mal mit Cloud Engine angeguckt und
sah, dass die menschlichen Pläne oft in schlechteren Stellungen enden für schwarz.
Genau so kam es auch in der Partie. Oli spielte die Züge, die alle natürlich und
menschlich aussahen und bekam sehr schnell eine sehr schwierige Stellung, wo er
mehrere Züge sehr präzise sein muss, um nicht sofort zu verlieren. Schlussendlich
konnte ich die Partie ziemlich sauber gewinnen.
Somit hatte ich in der letzten Partie eine ganz gute Ausgangslage und wusste, dass
ich mit einem Gewinn in der letzten Runde mindestens den 3. Platz sicher habe und
mit etwas Hilfe auch der 1. Platz drin ist. Ich bekam in der letzten Partie doppelt Weiß
und spielte gegen Alex Moser, der zu dem Zeitpunkt der 2. Platz war. Er spielte bisher
ein sehr souveränes Turnier und verlor auch noch keine Partie und stand in seinen
Partien, die im Remis endeten, nie wirklich unter Druck und hatte auch die höchste
Gegner-Wertung im Turnier. Ich ging mit dem Plan in die Partie, dass ich etwas
spiele, was eventuell etwas trickreich ist, aber wenig Gefahr für mich mitbringt,
da ich mit einem Verlust komplett aus dem Preisgeld fliege und mit einem Remis
mindestens 5. Platz sicher bin. So bereitete ich eine sehr selten gespielte Variante im
Vierspringerspiel vor, wo die natürlichste Fortsetzung in einem sofortigen Vorteil für
mich endet. Genau so sollte es auch kommen. Mit einer zwischendurch +2 Stellung
übersah ich einen Zwischenzug, welcher meinen ganzen Vorteil wieder weg gab und
wir uns schließlich mit einem Remis trennten. Die restlichen Ergebnisse an den vorderen Brettern sind so verlaufen, sodass ich mit einem Sieg tatsächlich das Turnier gewonnen hätte. Doch ich war im allerentscheidensten Moment
nicht wach genug und so musste ich mich mit einem 5. Platz, welche 400 Euro
waren, zufriedengeben. Im Großen und Ganzen ein sehr gutes Turnier, welches ich
mit einem Sieg im letzten Spiel zum perfekten Turnier hätte krönen können. Aber
dieses Ziel behalte ich mir dann fürs nächste Jahr 🙂